Vorsicht beim Free Cash Flow

Als Dividendeninvestoren lieben wir den Free Cash Flow (FCF), weil er uns ein klares Bild von der finanziellen Gesundheit eines Unternehmens gibt. Er zeigt uns, wie viel Geld wirklich für Dividenden, Rückkäufe und Wachstum übrig bleibt. Doch selbst diese scheinbar robuste Kennzahl kann manipuliert oder, eleganter ausgedrückt, „geschönt“ werden.

Heute werfen wir einen Blick hinter die Kulissen und zeigen Ihnen, wie Unternehmen ihren FCF durch die Verschiebung von Zahlungen kurzfristig aufblähen können.

Die Masche: Das Management von Forderungen und Verbindlichkeiten

Die Manipulation des Free Cash Flow geschieht oft durch das sogenannte “Working Capital Management”. Unternehmen können hier tricksen, indem sie Zahlungen, die sie erhalten oder leisten müssen, zeitlich verschieben.

1. Vorgezogene Zahlungen von Kunden (Forderungen)

Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen möchte seinen FCF zum Jahresende verbessern, um Investoren zu beeindrucken. Es könnte seine Vertriebs- oder Finanzabteilung anweisen, Kunden dazu zu drängen, ihre Rechnungen früher als vereinbart zu bezahlen.

  • So funktioniert es: Der Kunde hat normalerweise ein Zahlungsziel von 60 Tagen. Das Unternehmen bietet ihm jedoch einen kleinen Rabatt von 1% an, wenn er die Rechnung innerhalb von 15 Tagen begleicht.
  • Der Effekt: Das Unternehmen verbucht in diesem Geschäftsjahr mehr eingehende Cash-Zahlungen, als es unter normalen Umständen der Fall wäre. Der FCF steigt kurzfristig, obwohl das operative Geschäft nicht besser läuft. Im nächsten Jahr fehlen diese Zahlungen dann.

2. Verzögerte Zahlungen an Lieferanten (Verbindlichkeiten)

Das Gegenteil funktioniert ebenfalls. Ein Unternehmen kann seinen FCF verbessern, indem es Rechnungen an seine eigenen Lieferanten so lange wie möglich zurückhält.

  • So funktioniert es: Das Unternehmen hat ein Zahlungsziel von 30 Tagen, nutzt dieses aber bis zum letzten Tag aus oder versucht, die Frist sogar noch zu verlängern. Oder es setzt seine Verhandlungsmacht ein, um mit den Lieferanten längere Zahlungsziele zu vereinbaren.
  • Der Effekt: Das ausgehende Geld fließt langsamer ab. Im aktuellen Geschäftsjahr hat das Unternehmen mehr Cash in der Kasse, was den FCF erhöht. Das Problem verschiebt sich einfach ins nächste Jahr.

Was das für Sie als Dividenden-Investor bedeutet

Diese Manöver sind legal und nicht unbedingt ein Zeichen für Betrug. Sie zeigen aber, dass das Management kurzfristig versucht, Kennzahlen zu optimieren. Für uns als Langzeitinvestoren ist das ein Warnsignal.

Was Sie tun können:

  • Vergleichen Sie den FCF über mehrere Jahre: Suchen Sie nach auffälligen Sprüngen am Jahresende. Wenn der FCF in einem Jahr ungewöhnlich hoch ist, um dann im nächsten Jahr stark zu fallen, könnte das ein Indiz für solche Manöver sein.
  • Werfen Sie einen Blick in den Working-Capital-Teil des Cash-Flow-Statements: Hier sehen Sie die Veränderung der Forderungen und Verbindlichkeiten. Ein deutlicher, einmaliger Anstieg oder Rückgang kann eine Verschiebung der Zahlungen andeuten.
  • Konzentrieren Sie sich auf den operativen Cash Flow (OCF): Obwohl er der Ausgangspunkt für den FCF ist, kann ein starker Rückgang des OCF im Verhältnis zum FCF ebenfalls ein Warnsignal sein.

Der Free Cash Flow ist und bleibt eine der wichtigsten Kennzahlen für Dividenden-Investoren. Doch wahre Experten wissen, dass man auch hier genau hinschauen und die Zahlen in den richtigen Kontext setzen muss. Nur wer die kleinen Tricks kennt, kann die wahren Perlen von den kurzfristig aufgehübschten Unternehmen unterscheiden.